Insbesondere bei chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma nutzen viele Menschen Inhalatoren, um ihre Atemwege freizuhalten. Oftmals bleibt dabei aber ein Teil der zu inhalierenden Partikel im Inhalator selbst hängen. Durch eine optimierte ultradünne Beschichtung von Kunststoffoberflächen in Inhalatoren konnte am Fraunhofer IST demonstriert werden, dass sich die Oberflächeneigenschaften von diesen Medizinprodukten gezielt einstellen lassen. Auch für feinste Wirkstoffpartikel konnte mithilfe der Beschichtung die Adhäsion auf der Oberfläche deutlich reduziert werden. Dadurch lassen sich die Anwendungssicherheit von Inhalatoren sowie die effektive Nutzung von Wirkstoffdosen deutlich steigern.
Für die Verabreichung von Wirkstoffen in die Lunge müssen diese als Nebel oder Partikelaerosole mit einer Teilchengröße kleiner als 5 µm appliziert werden, um zu ihrem Wirkort tief in den Atemwegen zu gelangen. Durch ihre kleine Größe neigen die Wirkstoffpartikel jedoch stark zur Adhäsion, insbesondere an den Oberflächen der für ihre Anwendung eingesetzten Inhalatoren. Dies kann zu einer verringerten oder schwankenden Dosisabgabe des Wirkstoffs an die Patientinnen und Patienten führen und so die Therapiesicherheit gefährden.
Durch die funktionale Beschichtung der inneren Kunststoffoberflächen von Inhalatoren lassen sich deren physikochemische Eigenschaften so steuern, dass die Interaktionspotenziale auf die Eigenschaften der Wirkstoffpartikel abgestimmt werden können und somit die Adhäsionsneigung wissensbasiert verringert werden kann. Dabei dienen die eingesetzten chemischen Vorstufen für die Beschichtung sowie die Parameter des Beschichtungsprozesses zur Steuerung der Schichteigenschaften.
Durch die gezielte Verringerung der Ablagerung von Wirkstoffpartikeln wird die an die Patientinnen oder Patienten abgegebene Dosis des Arzneimittels deutlich präziser und reproduzierbarer, wodurch die Therapiesicherheit steigt. Darüber hinaus lassen sich Wirkstoffmengen einsparen, die sonst im Inhalator verbleiben. Der Reinigungsaufwand für den Inhalator sinkt ebenso wie die Umweltbelastung durch die aus dem Inhalator abgereinigten, ungenutzten Wirkstoffmengen.
Die Forschung zur Interaktionseinstellung zwischen Arzneiformen und Oberflächen ist Teil des am Fraunhofer IST noch jungen Anwendungsgebiets zur Medizin- und Pharmatechnik. Sie ist im Leistungszentrum Medizin- und Pharmatechnologie verortet, in dem das IST gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM sowie der Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE aktiv ist. Weitere Anwendungsfelder des Fraunhofer IST sind hier die Beschichtung und Funktionalisierung pharmazeutischer Partikelsysteme, die Entwicklung adhäsions- und verschleißhemmender Schichten für Prozessanlagen und Werkzeuge, funktionale Beschichtungen von Primärpackmitteln sowie die Impfstoffweiterentwicklung.
Der Lösungsansatz für die Adhäsionssteuerung in Inhalatoren lässt sich fast generisch auf andere Anwendungsfelder in der Pharmaindustrie, aber auch außerhalb dieser, übertragen, um die Ablagerung feinster Partikel maßgeschneidert auf deren Eigenschaften zu kontrollieren. In Kombination mit der funktionalen Beschichtung von Wirkstoffpartikeln lassen sich nicht nur die Applikationssicherheit, sondern beispielsweise auch das Freisetzungs- und damit das zeitliche Wirkprofil von Arzneistoffen verlängern oder eine Freisetzung auf bestimmte Reize hin »programmieren«.
Dieser Beitrag ist Teil des Jahresberichts 2021.