#WeKnowHow – das Fraunhofer IST vs. Corona

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Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert und stellt uns in vielen Bereichen vor große Herausforderungen. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat das Aktionsprogramm »Fraunhofer vs. Corona« ins Leben gerufen, um Fraunhofer-weit die verschiedenen Kompetenzen der Institute zu bündeln und damit zur Bewältigung der durch das Virus SARS-CoV-2 verursachten direkten und indirekten Folgen beizutragen. Mit seiner verfahrens- und fertigungstechnischen Expertise insbesondere für prozess- und anwendungsorientierte Oberflächentechnik arbeitet das Fraunhofer IST an entsprechenden Lösungsansätzen in den Bereichen Schutztextilien, Medizin sowie Hygiene und Desinfektion.

Oberflächentechnik für medizinische Lösungen

Sichere Tests zum schnellen Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion sind ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. In Kooperation mit dem Städtischen Klinikum Braunschweig ist das Fraunhofer IST an der Weiterentwicklung ultraschneller PCR-Tests beteiligt. Für derartige »Disposables«, die in millionenfacher Stückzahl benötigt werden, sind die Herstellungskosten mitentscheidend. Die Forschenden am IST optimieren dabei die im Test eingesetzten Folien durch eine ortsselektive Funktionalisierung der Oberfläche mittels Plasmatechnologie. Auf diese Weise können die Folien lokal so benetzbar gemacht werden, dass die Empfindlichkeit der fluoreszenzbasierten Diagnostik erhöht und dadurch die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Testsysteme gesteigert wird.

Auch in der medizinischen Versorgung kann die Oberflächentechnik eine wesentliche Rolle spielen. Bei Patienten mit einem schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung, die in den meisten Fällen mit einer Lungenentzündung einhergeht, ist häufig eine Beatmung notwendig. Um festzustellen, ab wann eine künstliche Beatmung nötig wird und wie lange eine nichtinvasive Beatmung noch ausreicht, ist eine zuverlässige Überwachung der Atmung notwendig. Darüber hinaus sollten betroffene Patienten und auch das medizinische Personal möglichst vor einer Virusinfektion geschützt werden. In Kooperation mit zwei Fraunhofer-Instituten und Industriepartnern arbeitet das Fraunhofer IST daher an einem smarten Virenfilter – eine neuartige Kombination aus schnellen Sensorelementen zur Atemstrom-, Druck- und Atemgasmessung sowie einem Beatmungsfilter. Das Fraunhofer IST konzentriert sich dabei auf die Entwicklung einer Fertigungstechnik von Dünnschichtsensoren zur Druckmessung, die kostengünstig in der Herstellung sind und sich gut integrieren lassen.

Schutztextilien – nachhaltig und antiviral

Zu Beginn der Corona-Pandemie fehlte es an geeigneter Schutzkleidung sowie Atemschutzmasken der Klassifizierung FFP2 und FFP3 für medizinisches Personal und Pflegekräfte. Nach wie vor ist vor allem der Bedarf an hochwertigen Schutzmasken hoch. Eine optimale Entkeimung von Masken stellt eine nachhaltige und ressourcenschonende Möglichkeit dar, um eine mehrfache Wiederverwendung von Schutzmasken zu ermöglichen. In Zusammenarbeit mit dem Städtischen Klinikum Braunschweig arbeitete das Fraunhofer IST daher an geeigneten Testverfahren, mit denen sich neben Sterilisationseffekten auch die Partikeldurchlässigkeit und die Dichtigkeit des Materials nach einer Sterilisation überprüfen lassen. 

Funktionale Schutzkleidung, die zusätzlich zu ihrer Schutzfunktion auch Viren und andere Keime abtötet, bietet für medizinisches und auch für Pflegepersonal einen verbesserten Schutz vor Ansteckung. In Zusammenarbeit mit acht weiteren Fraunhofer-Instituten steht die Entwicklung und Prüfung neuartiger kohlenstoffbasierter Beschichtungen für antiviral ausgerüstete Schutztextilien im Fokus. Am Fraunhofer IST werden hierfür neuartige Materialien und verfahrenstechnische Ansätze gasphasenbasierter Beschichtungsverfahren untersucht. Die so erzeugten Schichten werden auf ihre antimikrobielle Funktionalität und mechanische Stabilität hin validiert. Ziel ist es, einen nachhaltigen, skalierbaren und sicheren Fertigungsprozess zur antiviralen Ausrüstung textiler Materialien zu etablieren.

Desinfektion und Reinigung

In Krisenzeiten und Katastrophenfällen wie der Corona-Pandemie können mobile, dezentral einsetzbare Systeme zur Reinigung und Bereitstellung von Desinfektionsmitteln für die medizinische Versorgung der Bevölkerung eine entscheidende Ergänzung der Gesundheitsinfrastruktur sein. Vor diesem Hintergrund entwickelt ein Team aus sechs Fraunhofer-Instituten ein integriertes System einer mobilen, dezentralen medizinischen Versorgung. Basierend auf den Erfahrungen bei der dezentralen und autonomen Wasseraufbereitung arbeitet das Fraunhofer IST an einem System zur Flächendesinfektion, das mittels Diamantelektroden oder Plasmaverfahren Desinfektionsmittel direkt in einem Sprühsystem bereitstellen kann. Dieses System soll autark zur Oberflächensterilisation eingesetzt und dabei zum Beispiel in einer mobilen Testplattform angewendet werden können, die auch in Schwellen- und Entwicklungsländern zum Einsatz kommen kann.  

Darüber hinaus forscht das Fraunhofer IST ebenso in einem Fraunhofer-Team an Technologien für mobile Desinfektionsroboter, die potenziell kontaminierte Oberflächen in öffentlichen Gebäuden oder im ÖPNV zielgerichtet, effizient und schonend desinfizieren. Der Fokus der Arbeiten des IST liegt dabei auf der Entwicklung miniaturisierter Plasmasysteme und deren Integration in den Desinfektionsroboter sowie auf der Untersuchung und der Bewertung der Materialschädigungen durch die unterschiedlichen Reinigungstools wie Plasma, UV-C oder wässrige Reinigung. 

Im Bereich der mobilen Desinfektion ist ein weiteres Ziel des Fraunhofer IST die Entwicklung eines mobilen Raumluftreinigungssystems. Dieses Gerät soll Viren, Bakterien und Pilze in der Raumluft effektiv vernichten, um Ansteckungsrisiken zu mindern. Das Fraunhofer IST arbeitet daher an der Berechnung und Simulation der Strömungsdynamik von Bioaerosolen in Innenräumen. Auf Basis dieser Ergebnisse soll die Entwicklung eines geregelten Plasmaluftreinigers ermöglicht werden.

Darstellung eines Plasmaluftreinigers.
© HAWK
Darstellung eines Plasmaluftreinigers.
Durch Strukturierung der Oberfläche in Kombination mit einer ortsselektiven Funktionalisierung können die in PCR-Tests eingesetzten Folien vollständig und dauerhaft benetzbar gemacht werden.
© Fraunhofer IST
Durch Strukturierung der Oberfläche in Kombination mit einer ortsselektiven Funktionalisierung können die in PCR-Tests eingesetzten Folien vollständig und dauerhaft benetzbar gemacht werden.
Das Fraunhofer IST arbeitet an Testverfahren, mit denen sich Sterilisationseffekte, die Partikeldurchlässigkeit und die Materialdichtigkeit nach einer Sterilisation überprüfen lassen.
© Pixabay
Das Fraunhofer IST arbeitet an Testverfahren, mit denen sich Sterilisationseffekte, die Partikeldurchlässigkeit und die Materialdichtigkeit nach einer Sterilisation überprüfen lassen.

Ausblick

Die in den Anti-Corona-Projekten adressierten verfahrens- und fertigungstechnischen Lösungen auf Basis von Plasma- und Oberflächentechnik legen den Grundstein für zukünftige Arbeiten zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten. So können künftig auch funktionelle Beschichtungen mit antimikrobieller Wirksamkeit und Reinigungstechnologien zur automatisierten und aktiven Bekämpfung von Infektionserregern zur Verhinderung der Ausbreitung bzw. sofortigen Desinfektion von mikrobiellen Kontaminationen im medizinischen Bereich genutzt werden. Durch die Optimierung von medizintechnischen Lösungen in diagnostischen Test- und Überwachungssystemen wird langfristig eine verbesserte Patientenversorgung aufgebaut. Hierbei spielen Nachhaltigkeit und ressourcenschonende Prozesse eine entscheidende Rolle. Am Fraunhofer IST entstehen hier entsprechende Demonstratoren, die im nächsten Schritt gemeinsam mit Industriepartnern optimiert und in die Anwendung transferiert werden.

Dieser Beitrag ist Teil des Jahresberichts 2020.

 

Jahresbericht 2020