Um den Klimawandel zu verlangsamen, ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig. Mittlerweile liefert die Photovoltaik die günstigsten Stromgestehungskosten. Kostentreiber sind aktuell jedoch noch die benötigten Speichertechnologien. Um die Gesamtkosten zu reduzieren, ist es daher notwendig, die Effizienz der Zelltechnologie weiter zu erhöhen. Einen vielversprechenden Lösungsansatz bieten die auf der Siliziumtechnologie basierenden Tandemsolarzellen. Mit der günstigen Siliziumzelle als Bottomsolarzelle und einer aus einer Perowskitstruktur bestehenden Topzelle kann das solare Spektrum der Sonne besser ausgenutzt werden. Es ist zu erwarten, dass es innerhalb weniger Jahre gelingen wird, deutlich höhere Wirkungsgrade von ca. 40 % zu erreichen, und so wesentlich höhere Erträge pro genutzter Fläche erzielt werden.
Im Rahmen des Fraunhofer-Leitprojekts MaNiTU hat das Fraunhofer IST eine Vielzahl von notwendigen Funktions- und Kontaktschichten sowie die dazugehörige Anlagentechnologie entwickelt, untersucht und auf Flächen von 210 mm², das entspricht heutigen Wafergrößen, skaliert.
Perowskitsolarzellen erreichen mittlerweile mit mehr als 25 % ähnlich hohe Wirkungsgrade wie Siliziumsolarzellen. Das Perowskit-Absorbermaterial hat allerdings eine komplexe Kristallstruktur und besteht teilweise aus organischen Komponenten, was es empfindlich für eine weitere Beschichtung macht. Hinzu kommt, dass auch die Tandemzellen selbst sehr komplex aufgebaut sind. Sie bestehen aus einer Vielzahl hauchdünner Funktions- und Kontaktschichten, die unter, zwischen und auf den beiden Absorbern abgeschieden werden. An diese Schichtsysteme werden hohe Anforderungen gestellt, die eine Aufskalierung und weitere Optimierung der im Labor erarbeiteten Technologie erschweren. Die Schichten müssen optisch transparent sein, d.h. sie dürfen keine oder nur geringe Absorption aufweisen. Weiterhin müssen die elektrischen Eigenschaften so angepasst sein, dass die Ladungsträger die Kontakte erreichen. Darüber hinaus dürfen keine Defekte an den Grenzflächen über die komplette Fläche auftreten. Da die Perowskitzelle temperaturempfindlich ist, dürfen zudem bei der Herstellung des Frontkontaktsystems nur Temperaturen unter 100 °C verwendet werden.
Für die Entwicklung von Funktionsschichten für Silizium-Heterostruktursolarzellen (Si-HTJ) bzw. die Beschichtung des Perowskit-Absorbermaterials greift das Fraunhofer IST auf eine große Erfahrung bei der Herstellung von Funktions- und Kontaktschichten für S-HTJ und amorph/mikrokristalline Siliziumtandemsolarzellen zurück. Im laufenden Projekt wurden und werden großflächenfähige selektive Ladungsträgerschichten, Puffer- und Passivierschichten sowie transparente leitfähige Oxide (TCO) hergestellt. Für die Entwicklung des Elektronenkontaktsystems wird eine neuartige hochraten SALD-Hybrid-Anlage eingesetzt. In dieser Anlage können sowohl Tunnelschichten auf Basis von Metalloxiden auf dem Perowskitabsorber hergestellt werden, als auch die daran anschließende Elektronenkontaktschicht mittels einer eigenentwickelten Linearverdampfer-Technologie und die folgende Passivierschicht. Die anschließende Abscheidung des Frontkontakts erfolgt dann mittels eines Sputterprozesses. Zur Optimierung des Frontkontakts setzt das Fraunhofer IST zunächst ein am Institut etabliertes serielles Ko-Sputterverfahren ein. Im nächsten Schritt werden die transparenten Frontkontaktschichten mit Hilfe des metallischen Legierungstargets mit der zuvor ermittelten optimalen Zusammensetzung abgeschieden. Beide Technologien erlauben einen Hochdurchsatzprozess.
Mit Hilfe der am Fraunhofer IST eingesetzten und entwickelten Technologien können innerhalb der gesamten Prozesskette die jeweiligen Einzelprozesse aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Die IST-Technologie ist auf die von der Industrie geforderten Zellflächen und industrielle Prozessketten übertragbar und erlaubt eine Betrachtung und Optimierung des gesamten Solarzellenstapels hinsichtlich Effizienz und Kosten. Ein Transfer zu den Anlagenbauern und auch den Zellherstellern könnte deren Konkurrenzfähigkeit nachhaltig verbessern und helfen, wieder eine starke europäische Photovoltaikindustrie zu etablieren.
Durch die Arbeiten des Fraunhofer-Konsortiums wurden bei den Tandemsolarzellen mittlerweile Wirkungsgrade von über 30 % erzielt und Wege zur Aufskalierung der Flächen sowie Potenziale zur gleichzeitigen Steigerung der Effizienzen ermittelt. Um die Industrie in die weitere Entwicklung einzubinden, hat im Oktober 2023 ein erster gemeinsamer Workshop stattgefunden. Zudem wurden erste gemeinsame Förderanträge mit Industriepartnern eingereicht, um künftig die erzielten Ergebnisse zu verstetigen und industriell zu verwerten.
Im Fraunhofer-Leitprojekt Projekt MaNiTU bündeln fünf Fraunhofer-Institute ihr weltweit einzigartiges Kompetenzportfolio. Dies umfasst neben der ausgewiesenen Expertise im Bereich Solarzellen und Nachhaltigkeitsbewertung auch fundierte Kenntnisse und Erfahrungen in der theoretischen und experimentellen Materialwissenschaft, bei der Prozessentwicklung und bei der Charakterisierung von einzelnen Materialien bis hin zu ganzen Systemen. Ziel ist es, die Technologieführerschaft auf dem Gebiet der nachhaltigen höchsteffizienten Tandemsolarzellen zu erreichen.