Die ökologische und ökonomische Herstellung hochwertiger Kaltschmiedeteile erfordert eine hohe Prozesssicherheit. Dabei spielt die messtechnische Erfassung exzentrischer Kräfte während des Umformvorgangs eine wichtige Rolle für die spätere Produktqualität und stellt gleichzeitig eine große Herausforderung dar. Am Fraunhofer IST werden daher integrierte und verschleißfeste Dünnschichtsensoren entwickelt, die eine In-situ-Datenerfassung ermöglichen. In Kombination mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gelingt es, die gemessenen Daten zur Vorhersage von Prozesszuständen und Produktqualität einzusetzen.
Das Dünnschichtsystem wird mittels physikalischer und chemischer Vakuumbeschichtungsverfahren (PECVD, engl. physical vapor deposition) direkt auf die polierte Oberfläche einer Stahlscheibe abgeschieden. Die piezoresistive Sensorschicht DiaForce® (6 µm) ermöglicht die Messung von Normalkräften und Drücken an definierten Messstellen, die als Elektrodenstrukturen ausgeführt sind. Die elektrischen Leiterbahnen werden zwischen zwei elektrisch isolierenden Schichten aus SICON® (1 bis 3 µm) eingebettet und ebenso wie die Elektrodenstrukturen mittels Fotolithografie und nasschemischem Ätzen aus Chrom gefertigt. Das gesamte Schichtsystem weist eine Dicke von ca. 10 µm auf. Für eine homogene Druckverteilung über den Sensorflächen werden zwei Stahlfolien auf die Kraftmessscheibe positioniert und mit einer Gegenscheibe verstiftet.
Mit dem am Fraunhofer IST entwickelten Sensordesign werden die beim Umformen auftretenden axialen Kräfte über die Kraftmessscheiben, die oberhalb des Stempels im Werkzeug verbaut sind, gemessen. Mithilfe von Umformsimulationen, die am Institut für Umformtechnik in Stuttgart berechnet wurden, konnten die optimalen Sensorpositionen für die Entwicklung des Designs ermittelt werden. Die Kraftsensoren (F1 bis F3, siehe Abbildung unten links und Mitte) liegen auf einem Kreis, der dem Durchmesser des Umformstempels entspricht. Für die Erfassung der Temperatur kann bei Bedarf die Mäanderstruktur (MS) als Temperatursensor ausgelesen werden.
Die am Fraunhofer IST entwickelte Kraftmessscheibe mit dem integrierten multifunktionalen Dünnschichtsystem ermöglicht eine Aufzeichnung der Druckverteilung im Werkzeug und somit eine Analyse der Konzentrizität der gefertigten Teile beim Fließpressen. Die Kraftmessscheibe wurde sowohl in Einzel- als auch in Dauerversuchen beim Umformen von Stahlrohlingen erfolgreich eingesetzt. Auch nach 160 Hüben mit einer Axialkraft von über 350 kN war kein Verschleiß an den belasteten Flächen der Messscheibe festzustellen. Auf Grundlage der hohen Qualität der erfassten Daten konnte ein passendes KI-Modell trainiert werden, das die Konzentrizitätsabweichungen für zukünftige Prozesse vorhersagt. Dies ermöglicht eine individuelle Qualitätskontrolle noch bevor das Teil die Maschine verlassen hat.
Zukünftig werden weitere experimentelle Versuche zur Aufzeichnung von Messdaten durchgeführt, um sowohl das Prozessverständnis als auch die Datenmenge zur weiteren Optimierung der KI-Modelle zu erweitern. Das entwickelte Messelement soll für den industriellen Einsatz validiert und als Demonstrator für interessierte Partner aufgebaut werden. Darüber hinaus bieten die gesammelten Erkenntnisse die Möglichkeit, die Sensorik für weitere industrielle Anwendungsgebiete anzupassen.
Die beschriebenen Ergebnisse wurden innerhalb des Projekts »MuWeKa – Multisensorische Werkzeuge für die Kaltmassivumformung« gemeinsam mit dem Institut für Umformtechnik Stuttgart und der Hahn-Schickard-Gesellschaft erzielt. Das Projekt wurde gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF; IGF Vorhaben Nummer 21520 N).