Untersuchung tribokorrosiver Beanspruchungen: Wechselwirkungen von Verschleiß und Korrosion

Probenuntersuchung mit dem Pilotprüfstand: Slurrytopf mit Abrasivmittel in künstlichem Meerwasser (3,5%ige NaCl-Lösung)..
© Fraunhofer IST
Slurrytopf mit Abrasivmittel in künstlichem Meerwasser (3,5%ige NaCl-Lösung).

Tribokorrosive Beanspruchung tritt in zahlreichen Anwendungen auf – von der Wasser- und Energiewirtschaft über die Medizintechnik bis hin zur Produktionstechnik, etwa bei der Extrusion neuer Werkstoffe. Die tribologische Untersuchung solcher Beanspruchungen ist eine zentrale Kompetenz des Fraunhofer IST. Sie ermöglicht die Bewertung von anwendungsspezifischen Belastungen und bildet die Grundlage für gezielte Anpassungen der Oberflächen und Randschichten von Bauteilen und Werkzeugen. Durch die Erweiterung dieser Expertise um die Analyse tribologischer Wechselwirkungen unter zusätzlicher korrosiver Beanspruchung erschließt das Fraunhofer IST neue Anwendungsfelder. Die tiefgehende Untersuchung der Tribokorrosion eröffnet zudem das Potenzial für ein Alleinstellungsmerkmal in der industrienahen Beanspruchungsanalyse.

Die Überlagerung chemischer und mechanischer Einflüsse erzeugt einen höheren Materialverlust, als die Einzelkomponenten erwarten lassen (Synergismus).
© Fraunhofer IST
Die Überlagerung chemischer und mechanischer Einflüsse erzeugt einen höheren Materialverlust, als die Einzelkomponenten erwarten lassen (Synergismus).

Kombinierte Bauteil- und Werkzeugbeanspruchung durch Verschleiß und Korrosion

In tribokorrosiven Umgebungen wirken Korrosion und mechanischer Verschleiß gleichzeitig und verstärken sich gegenseitig, was den Schadensgrad erheblich beeinflusst. Herkömmliche Prüfmethoden, die entweder nur den Verschleiß oder die Korrosion isoliert betrachten, greifen daher zu kurz. Da tribokorrosive Prozesse häufig langsam verlaufen, sind zeitlich skalierbare Prüfverfahren erforderlich, um die Schadensmechanismen realitätsnah zu modellieren und neue Werkstoffkonzepte systematisch zu untersuchen.

Pilot-Modellprüfstand zur Untersuchung tribokorrosiver Beanspruchungen

Die Prüfumgebung des Fraunhofer IST ermöglicht durch einen eigens entwickelten Prüfstand eine realitätsnahe und beschleunigte Erfassung von Verschleiß unter erhöhten Korrosionsbedingungen. Die hohe Flexibilität des Prüfstands erlaubt maßgeschneiderte Prüfabläufe – von grundlegenden Untersuchungen zur Massenverlustbestimmung bis hin zu detaillierten Analysen einzelner Tribokorrosionskomponenten.

Wesentliche Parameter wie der Anströmwinkel sowie die Zusammensetzung der Abrasivmittel und Elektrolyte können an spezifische Anwendungsbedingungen angepasst werden, um die Beanspruchung möglichst realitätsnah zu simulieren. Die wissenschaftliche Dokumentation für den Auftraggeber umfasst neben den ermittelten Tribokorrosionskennwerten – abgeleitet von den Massenverlusten und Stromdichte-Potentialkurven –auch hochauflösende Aufnahmen der veränderten Topografie der Materialproben. Dies ermöglicht eine umfassende Bewertung der Einflüsse der jeweiligen Anwendungsumgebung. Am Beispiel des Werkstoffs 1.4404 zeigt sich eine zunehmende Stromdichte als Indikator für eine erhöhte Korrosionsgeschwindigkeit, sobald eine zusätzliche mechanische Beanspruchung eintritt.

Schaubild: Der tribokorrosiver Masseverlust (T) setzt sich aus den für die Anwendung spezifischen Verschleißbeträge der einzelnen wirksamen Komponenten zusammen.
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Der tribokorrosiver Masseverlust (T) setzt sich aus den für die Anwendung spezifischen Verschleißbeträge der einzelnen wirksamen Komponenten zusammen.

Prüfbedingungen für anwendungsspezifische Untersuchungen

Für eine präzise Abbildung der Anwendungsumgebung müssen definierte Rahmenbedingungen für den Prüfstand erfüllt sein:

  • Probenmaterialien: Die zu untersuchenden Werkstoffe sollten leitende Eigenschaften aufweisen. Besondere Expertise besteht insbesondere in der Analyse diffusionsbehandelter Stähle (Austenite) sowie Nickelbasislegierungen (Alloy 718). 
  • Probenhalter: Dieser kann individuell mittels 3D-Druck angepasst werden, erfordert jedoch klare geometrische Vorgaben. Bisherige Rundproben hatten Durchmesser von 30 bis 35 mm und eine Höhe von 4 bis 10 mm. 
  • Abrasivmedien: Das Spektrum der verwendeten Abrasivmittel ist vielfältig und kann an die jeweiligen Anwendungsbedingungen angepasst werden. Zum Einsatz kamen bereits definierte Sandsorten sowie gröbere Abrasivkörper (z. B. Trowalisiermedien) bis zu einer Größe von ca. 1 cm³.
  • Elektrolyte: Diese werden gezielt an die spezifischen Einsatzbedingungen angepasst. Erfahrungen bestehen mit 3,5%-igen NaCl-Lösungen. Zudem sind definierte Gehalte an Schwefelsäure (H2SO4) oder alkalischen Lösungen (NaOH, KOH) möglich.
  • Erweiterung des Untersuchungsspektrums: Zukünftig sind auch gasförmige Umgebungen (CO2) und eine Temperierung auf bis zu 70 °C vorgesehen.
Eingespannte Probe mit Gegenelektrode im Versuch ohne mechanische Verschleißkomponente.
© Fraunhofer IST
Eingespannte Probe mit Gegenelektrode im Versuch ohne mechanische Verschleißkomponente.

Aufbau eines Serienprüfstands

Der in Eigenregie entwickelte Prüfstand hat bereits in Pilotversuchen erfolgreich bestätigt, dass die erarbeiteten Prüfroutinen fundierte Informationen zur hybriden Verschleißbeanspruchung und zur Bewertung verschiedener Werkstoffzustände liefern. Auf dieser Basis wird der Prüfstand konstruktiv und technisch weiterentwickelt, um ihn als Serienprüfstand mit den etablierten Prüfroutinen nutzbar zu machen. Zur Effizienzsteigerung wird eine Parallelisierung der Probenbearbeitung umgesetzt. Zudem erfolgt die Integration von Sensoren zur Erfassung wesentlicher Prüfparameter. Die gewonnenen Daten werden digital erfasst und in einer Datenbank abgelegt, um eine lückenlose Dokumentation sowie weiterführende Untersuchungen zu ermöglichen.

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