Deutschland und die EU benötigen zunehmend grünen Wasserstoff für die rasche Dekarbonisierung der Industrie. Eine marktfähige Versorgung bis 2030 gelingt durch eine Kombination aus nationaler Erzeugung und strategischen Importen über den Seeweg. Der Wasserstoff Campus Salzgitter, den das Fraunhofer IST aus wissenschaftlicher Perspektive begleitet, untersucht wesentliche Fragestellungen und gibt Antworten zum erforderlichen Markthochlauf.
Der Wasserstoff Campus Salzgitter verfolgt den Anspruch, sich am industriegeprägten Standort als sichtbare Modellregion für eine erfolgreiche Transformation von Industrie und Gesellschaft zur Klimaneutralität zu entwickeln, indem er den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft adressiert und vorantreibt. Experten des Fraunhofer IST haben im Auftrag des Campus gemeinsam mit MAN Energy Solutions SE ein Thesenpapier zum Projekt »GreenH2SZ« veröffentlicht, das mögliche Lösungen für eine zeitnahe und kosteneffiziente Versorgung von Salzgitter mit grünem Wasserstoff aufzeigt. Die Forschungsergebnisse belegen, dass Niedersachsen beste Standortvoraussetzungen bietet, um eine konkurrenzfähige Wasserstoffwirtschaft aufzubauen.
Eine Aussage des Thesenpapiers betrifft die Herstellungskosten von grünem Wasserstoff in Deutschland. Dieser lässt sich zwar grundsätzlich in sonnenreichen Ländern deutlich günstiger produzieren als in Niedersachsen, muss für den Transport nach Deutschland allerdings umgewandelt und später wieder zurückgewandelt werden. Diese mit Kosten und Verlusten behafteten Prozesse treiben die Gesamtkosten nach oben und übertreffen die Gestehungs- und Transportkosten innerhalb Norddeutschlands. Die Untersuchungen des Expertenteam ergaben, dass der mit Windstrom erzeugte und per Pipeline nach Salzgitter transportierte Wasserstoff im Vergleich kostengünstiger bleibt.
Ein Beispiel: Die Erzeugungskosten des grünen Wasserstoffs aus Norddeutschland werden für 2030 mit ca. 4 €/kg H2 prognostiziert. Im Thesenpapier wird ein Vergleich mit importiertem Wasserstoff aus Tunesien angeführt (vgl. nebenstehende mittlere Abbildung): Die Kosten für Wasserstoff, der über die sogenannte Ammoniak-Route importiert, d.h. für den Transport in Ammoniak gebunden und anschießend wieder zurückgewandelt wird, (vgl. untere Abbildung) werden mit ca. 4,70 €/kg H2 kalkuliert. Demnach wäre grüner Wasserstoff aus Norddeutschland konkurrenzfähig zu Importen und könnte den Grundbaustein für eine ausreichende Versorgung bilden. Die Experten fordern daher, Investitionen in großskalige Elektrolyseanlagen und erneuerbare Energieerzeugung in Deutschland parallel zu Importen voranzutreiben.
Zusammenfassend kommen die Autoren des Thesenpapiers zu dem Schluss, dass Niedersachsen insgesamt hervorragende Voraussetzungen bietet, um den Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft für die Energiewende anzustoßen und zu beschleunigen. Dies gilt sowohl für die notwendige heimische Erzeugung zu konkurrenzfähigen Gestehungskosten von ca. 4€/kg H2 als auch für die Realisierung zeitnaher Importe von grünem Wasserstoff über die entstehenden Gasimportterminals an der Nordsee. Dies untermauert ihre These, dass Niedersachsen den Nukleus des deutschen Wasserstoffpipelinenetzes bilden werde, um Industriestandorte wie Salzgitter versorgen zu können.