Plasmanitrieren ist ein etabliertes Verfahren zur Randschichthärtung von Stählen, das bei einer Vielzahl von Werkzeugen und Bauteilen angewendet wird. Das Nitrierergebnis hängt dabei maßgeblich von den verwendeten Stahlwerkstoffen und Prozessparametern ab. Das Wissen über die Prozessführung beruht größtenteils auf Erfahrungswerten mit häufig verwendeten Werkstoffen. Um einen idealen Plasmanitrierprozess für neue Werkstoffe und Anwendungen auszuwählen, sind in der Regel aufwändige Vorversuche erforderlich. Am Fraunhofer IST wurde daher ein Prognosetool entwickelt, mit dem Ergebnisse von Plasmanitrierprozessen vorhergesagt und damit die Qualität behandelter Bauteile verbessert werden können.
Der Anwender der Plasmanitriertechnik steht häufig vor der Entscheidung, welche Vorgaben für ein optimales Nitrierergebnis gemacht werden sollen und welche Prozessparameter dazu eingestellt werden müssen. Meistens beschränken sich die Vorgaben auf die Angabe der gewünschten Nitrierhärtetiefe, und es werden Standardprozesse für die Nitrierung verwendet, die weder auf den Werkstoff, die Geometrie noch auf die Endanwendung optimal abgestimmt sind. Das Potenzial der Plasmanitriertechnik wird daher häufig nicht ausgeschöpft. An dieser Stelle bietet das neue softwarebasierte Prognosewerkzeug des Fraunhofer IST den Anwendern weitreichende Möglichkeiten, um die Qualität der Bauteile zu verbessern.
Es bestehen komplexe Zusammenhänge zwischen den Nitrierparametern wie z. B. Behandlungsdauer, Prozesstemperatur und Gaszusammensetzung, den im Grundwerkstoff enthaltenen Legierungselementen, der Bauteilgeometrie und dem Nitrierergebnis. Die wichtigsten Kenngrößen sind:
In der Vergangenheit fehlten gesicherte Kenntnisse über die Zusammenhänge zwischen den Nitrierparametern, den Grundwerkstoffen und dem Nitrierergebnis als auch die erforderliche Datenbasis. Im Rahmen des IGF-Vorhabens »Prognosetool für Plasmanitrierprozesse zur Randschichtbehandlung von Werkzeugen und Bauteilen« wurden mehr als 500 Kombinationen unterschiedlichster Werkstoffe und Prozessparameter untersucht. Die behandelten Proben wurden anschließend umfassend ausgewertet. Zur Validierung der Ergebnisse wurden vergleichende Versuche an Industrieanlagen durchgeführt. Parallel dazu wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik (IWW) der TU Chemnitz mit den Daten ein neuronales Netzwerk trainiert, das die Basis für den Aufbau eines softwarebasierten Prognosetools für die Plasmanitrierprozesse bietet.
Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in Form einer nutzerfreundlichen Datensammlung aufbereitet, die es ermöglicht, das Nitrierergebnis bei z.B. vorgegebenen Werkstoff- und Prozessparametern abzuschätzen oder, alternativ, die erforderlichen Prozessparameter für das gewünschte Nitrierergebnis gezielt auszuwählen. Aufgrund der umfangreichen Datenbasis kann das Potenzial der Plasmanitriertechnologie bestmöglich genutzt werden. Durch die optimierten Ansätze können sowohl die Standmenge von Werkzeugen als auch die Lebensdauer von Bauteilen maßgeblich gesteigert werden.
Das Projekt der industriellen Gemeinschaftsforschung IGF 18741 BG wurde, mit Unterstützung der Forschungsvereinigung »Deutsche Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik e.V.«, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Dieser Beitrag ist Teil des Jahresberichts 2018.