Sauber durch Sonnenkraft
In Verbindung mit den richtigen Materialien können Sonnenstrahlen Wunder wirken: Sie reinigen Gebäudefassaden, zersetzen Schadstoffe aus der Luft oder im Wasser. Photokatalyse heißt das Zauberwort. Doch die Wirksamkeit dieses »Wundermittels« in der Praxis schwankt stark, je nach eingesetztem Material und Umwelteinflüssen. Mit einem neuen Messgerät wollen Forscher jetzt die photokatalytische Wirksamkeit von Oberflächen genauer und schneller bestimmen und damit die Effizienz erhöhen.
Fahrverbote, Dieselnachrüstung oder blaue Plakette – es wird derzeit viel diskutiert, wie sich die Stickoxid- und Feinstaubbelastung in Städten reduzieren lassen. Wie praktisch wäre es, wenn Häuserfassaden und Dächer die Stadtluft einfach nebenbei reinigen würden? Und wenn sich Gebäude gleich selbst von Schmutz befreien könnten? Die gute Nachricht ist: Mit Photokatalyse ist das bereits möglich. Mischt man Baumaterialien einen sogenannten Katalysator wie zum Beispiel Titandioxid (TiO2) bei, löst Sonnenlicht in Verbindung mit Sauerstoff eine chemische Reaktion aus. Das Titandioxid bildet dabei reaktive Substanzen, die Schmutz und Schadstoffe abbauen. Ob Beton, Glas oder Fassadenfarbe, fast jedes Material kann man photokatalytisch aufrüsten.
Doch es gibt gleich mehrere Haken: Je nach Trägermaterial, Oberflächenstruktur und Umwelteinflüssen schwankt die photokatalytische Effizienz in Abhängigkeit von Schadstoff und Produkt um bis zu 100 Prozent und mehr. Die Wirksamkeit ist auch eine Frage der richtigen Mischung: Beschichtet man nur die Oberfläche, wäscht sich der Katalysator schnell ab oder erodiert. Mischt man ihn ins Material, ist ein Großteil nicht wirksam. Das Optimum ist noch nicht gefunden. Auch das Langzeitverhalten und die Stabilität solcher Baumaterialien lassen sich außerhalb des Labors nur schwer vorhersagen.
Erschwerend kommt hinzu, dass es eine hohe Diskrepanz zwischen den im Labor erreichbaren Wirksamkeiten und den draußen im praktischen Einsatz erzielten gibt. All dies ist bislang kaum untersucht worden. Ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge strebten die elf Partner im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt PureBau an. Ihr Ziel war es, die Effizienz von Materialverbindungen zu steigern, so dass bessere photokatalytisch wirksame Baustoffe entwickelt werden können.
Ein neues Werkzeug für effiziente Forschung
Als einer der Partner arbeitet das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig an einem Messverfahren, das genau das ermöglicht. »Die bisherige Erforschung und Entwicklung von photokatalytisch aktiven Baumaterialen lief mangels eines geeigneten Messverfahrens oft nach dem Versuch-Irrtum-Prinzip. Zudem war es schlichtweg noch nicht möglich, zuverlässige Messungen im Feld durchzuführen. Zwar lassen sich Effekte anhand von Simulation berechnen, doch dies ist aufwändig und zudem noch wenig verbreitet«, sagt Dipl.-Ing. (FH) Frank Neumann, Leiter Arbeitsgruppe Photokatalyse am Fraunhofer IST.
Neumann und seine Mitarbeiter hatten bereits ein Verfahren patentiert, um die photokatalytische Selbstreinigung von Produkten schnell und reproduzierbar im Labormaßstab zu messen. Damit lässt sich bestimmen, wie schnell ein Material mit einem bestimmten Katalysator zum Beispiel eine Fassade oder ein Ziegeldach reinigt. Das Grundprinzip: Ein lumineszierender Farbstoff wird auf eine Oberfläche aufgedampft und dann gemessen, wie schnell er unter Lichteinfluss verblasst. Zusammen mit den Parametern Dicke der Farbschicht und Lichtintensität lässt sich daraus der Wirkungsgrad ermitteln.
Vom Labor ins Feld
Die Herausforderung war nun, dieses Prinzip auf ein portables Gerät zu übertragen, das ohne Vakuumbedingungen funktioniert, und die Messung gleichzeitig deutlich zu beschleunigen. Die Forscher erreichten das in Zusammenarbeit mit dem Institut für Hochfrequenztechnik (IHF) der TU Braunschweig in zwei Schritten: Da die bislang im Labor verwendete Farbstoffsynthese im Feld zu viele ungewünschte chemische Reaktionen zeigte, mussten sie neue Farbstoffe finden. Zum Einsatz kamen Farbstoffe mit Europium-Metallkomplexen, wie sie auch in OLEDs angewendet werden. Zudem funktionierte das bisherige Verfahren des Aufdampfens für den mobilen Zweck nicht mehr. »Stattdessen transferierten wir die Farbstoffe in einer Mono-Lage auf eine polymere Trägerfolie und verbanden beides chemisch durch sogenannte Ankergruppen«, erklärt Neumann. Die Trägerfolie hat die Vorteile, dass sie sich jeder Oberfläche gut anpasst, chemische Reaktionen mit dem Material minimiert und durch Messungen direkt an Fassaden entstehende Schäden (z.B. durch Farbauftrag) vermeidet. Die Beschichtung mit einer einzelnen Lage Farbstoff gewährleistet die Reproduzierbarkeit des Verfahrens.
Im nächsten Schritt wurde zusammen mit der Firma Omicron Laserage Laserprodukte GmbH ein Demonstrator einer mobilen Messpistole entwickelt. In einen Bajonettverschluss wird dort die Folie mit der Farbbeschichtung eingespannt und auf die zu prüfende Oberfläche gepresst. Das Gerät misst dann das Abklingen der Lumineszenz durch den UV-Einfluss und bestimmt darüber die photokatalytische Wirksamkeit – sowohl qualitativ als auch quantitativ durch den Effizienzgrad. Die Messdauer hat sich bei diesem Prozedere im Vergleich zu einschlägigen Normprüfverfahren von zum Teil drei Stunden auf etwa 15 Minuten reduziert.
Neumann ist zuversichtlich, dass die Messlösung in ein bis zwei Jahren marktreif sein könnte. Interessant wäre dies dann für Baustoffhersteller, Beschichtungsexperten und Messdienstleister, aber auch für Anwender: »Vor allem die Qualitätskontrolle derzeit eingesetzter Produkte wäre damit erstmals vor Ort möglich, aber auch die Entwicklung wirksamer photokatalytischer Materialien ließe sich so beschleunigen«. Langfristig könnte dies wiederum die weitreichende Selbstreinigung von Fassaden, Dächern und Verkehrswegen fördern und für ein besseres Klima in unseren Städten sorgen.
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