Antiadhäsive Systeme für die Kunststoffformgebung

Beschichtete Heißprägewerkzeugoberfläche mit Wassertropfen.
© Fraunhofer IST
Beschichtete Heißprägewerkzeugoberfläche mit Wassertropfen.

Eine prozesssichere Produktion von hochwertigen und optischen Kunststoffprodukten mit sehr glatten Oberflächen wird häufig durch das Anhaften der Polymere an der polierten Werkzeugoberfläche massiv erschwert oder sogar verhindert. Im Rahmen des IGF-Projekts »GLANZFORM« konnten am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST antiadhäsive Beschichtungssysteme für Werkzeuge weiterentwickelt werden, die zu einer signifikanten Reduzierung der Entformkräfte führen, ohne die Qualität der Bauteiloberfläche zu beeinträchtigen. 

Das 9. und 12. Ziel für nachhaltige Entwicklung der UN: Industrie, Innovation und Infrastruktur und verantwortungsvoller Konsum und Produktion.

Herausforderungen bei der Abformung hochwertiger Kunststoffbauteile

In Spritzgieß- oder Heißprägeprozessen zur Herstellung hochwertiger Kunststoffprodukte sind aufgrund steigender Kundenanforderungen, ökologischer und ökonomischer Rahmenbedingungen wie erhöhter Anforderungen an die Nachhaltigkeit und Effizienz laufend neue Innovationen erforderlich. Produkte wie optische, medizin- und mikrosystem-technische Komponenten, aber auch Kredit- und Ausweiskarten sowie Dekor- und Interieurelemente mit hochwertiger oder optischer Oberfläche unterliegen der Forderung nach höchster Oberflächengüte. Diese wird wiederum maßgeblich durch die Oberfläche des formgebenden Werkzeugs und dessen prozesssichere Abformung bestimmt. Allerdings nehmen mit erhöhter Oberflächengüte des Werkzeugs die Abformkräfte überproportional zu, was die Bauteilqualität stark beeinträchtigen und eine effiziente Produktion verhindern kann.

Ein Mittel zur Verminderung von Abformkräften bei der Kunststoffformgebung ist die Beschichtung des Werkzeugs mit einer antiadhäsiven Schicht mit möglichst niedriger Oberflächenenergie und geringem polaren Anteil wie z. B. silikonhaltige Beschichtungen oder die Nutzung von Trennmitteln, die in vielen Produktionsprozessen eingesetzt werden. 

Für viele Kunststoffformgebungsprozesse existieren jedoch bisher keine befriedigenden und flexibel einsetzbaren adhäsionsmindernden Beschichtungslösungen, die den hohen Anforderungen an die Oberflächengüte entsprechen. Viele etablierte Beschichtungen führen zu einer Aufrauung der polierten Formwerkzeugoberfläche und sind weder adhäsionsmindernd noch verschleißfest genug.

Unser Lösungsansatz

Die Aufgabe des Fraunhofer IST innerhalb des beschriebenen Projekts war die Entwicklung von Werkzeugbeschichtungen, die Haft- bzw. Abformkräfte reduzieren, was auf chemischem Wege durch Minimierung der intermolekularen Wechselwirkung zwischen Werkzeugoberfläche und Polymer erfolgte, und gleichzeitig auf mechanischem Wege durch Einstellung einer definierten Rauheit im Sub-Mikrometerbereich. Dafür wurden PVD/PECVD-Kombinationsschichtsysteme (Physical Vapor Deposition/Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition) bestehend aus Cr/CrN- und a-C:H:Si:O-Schichten (SICON®) entwickelt. Die Cr/CrN-Schichten konnten mittels Parametervariation beim PVD-Magnetronsputtern hinsichtlich ihrer Topografie so eingestellt werden, dass sie als zielführende Template-Schichten für die antiadhäsive SICON®-Schicht dienen konnte.

Ergebnisse und Anwendung

Durch die entwickelten PVD/PECVD-Kombinationsschichtsysteme, der damit verbundenen Modifikation der Oberflächenchemie und zusätzlichen Reduktion der Haftkräfte durch Steuerung der Kontaktfläche über ein gezieltes Einstellen der Rauheit konnte eine Haftkraftreduktion um ca. 60 Prozent gegenüber hochglanzpolierten Stahloberflächen beim Heißprägen von Polyethylenterephthalat (PET) erzielt werden. Mit diesem Schichtsystem konnte beim Heißprägen von optischen Bauteilen eine verbesserte Entformung ohne nennenswerte Verschlechterung der Oberflächengüte von Hochglanzoberflächen im industriellen Umfeld demonstriert werden.

Dies gelang erstmalig auch speziell im Bereich sehr glatter Oberflächen (Sa ≤ 20 nm), die für Hochglanz-Kunststoffoberflächen typisch sind. Damit werden in der Anwendung neue, innovative Ansätze zur Ausgestaltung von Werkzeugoberflächen ermöglicht, die den Einsatz von Trennmitteln oder Formmassenadditiven zur leichteren Entformung zukünftig überflüssig machen könnten. Dies gilt auch für Beschichtungsunternehmen, die damit neben der Einstellung der Oberflächenchemie mit der Einstellung der Oberflächentopografie über eine weitere Stellgröße zur Optimierung ihrer Produktionsergebnisse verfügen.

 

REM-Aufnahme von der Topographie einer Cr-Template-Schicht.
© Fraunhofer IST
REM-Aufnahme von der Topographie einer Cr-Template-Schicht.
Haftkräfte beim Heißprägen von PET.
© Fraunhofer IST
Haftkräfte beim Heißprägen von PET.

Ausblick

Der entwickelte Ansatz aus Topografieeinstellung und angepasster Beschichtung soll für weitere Schichtsysteme insbesondere für Werkzeuge in der Polymerformgebung weiterentwickelt werden. In Zusammenarbeit mit den Projektpartnern des Vorhabens, dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF im Bereich Kunststoffformgebung und dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM im Bereich Modellbildung, soll eine ausbaufähige und offen nutzbare Datenbasis für Prozess-, Material- und Werkzeugoberflächendesigns für effizientere, entformkraftoptimierte und nachhaltige Kunststoffformgebungsprozesse erarbeitet werden.

Das Projekt

Das IGF-Vorhaben Glanzform (19545 N) der Forschungsvereinigung Forschungsgesellschaft Kunststoffe e. V. (FGK), Haardtring 100, 64295 Darmstadt, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert.

Logo des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
© BMWK
(vormals Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, BMWi)
Logo der Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF

Dieser Beitrag ist Teil des Jahresberichts 2020.

 

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