Eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte und nachhaltige menschliche Präsenz auf dem Mond ist die Verfügbarkeit von Ressourcen wie reinen Metallen und Sauerstoff, um beispielsweise Unterkünfte, eine Forschungsstation und die notwendige Infrastruktur für Astronauten zu schaffen. Das sogenannte Mondregolith, loses Gestein, das sich auf der Oberfläche des Mondes befindet, besteht aus Metalloxiden wie zum Beispiel Eisen, Titan, Aluminium oder Magnesium. In diesen Oxiden liegt Sauerstoff in festgebundener Form mit einem Anteil von etwa 50 Prozent an der Gesamtmasse vor. Um sowohl den Sauerstoff als auch die Metalle in ihrer Reinform für die Menschen verfügbar zu machen, ist ein Prozess unter Weltraumbedingungen ohne Verbrauchsmaterialien erforderlich. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Raumfahrtsysteme (IRAS) der TU Braunschweig arbeitet das Fraunhofer IST an einem Verfahren zur Extraktion reiner Elemente aus Mondregolith unter Berücksichtigung der auf dem Mond herrschenden Bedingungen.
Aufgrund des Mangels an echtem Mondregolith – die Apollo- und Luna-Missionen brachten nur etwa 360 kg des Materials mit auf die Erde – müssen sogenannte Regolith-Simulanten wie zum Beispiel der European Astronaut Centre lunar regolith simulant 1 (EAC-1A) oder die vom Johnson Space Center entwickelten lunaren Simulanten JSC-1A und JSC-2A für die Entwicklung von Verarbeitungstechnologien verwendet werden. Das Ziel ist es, Metalle und Sauerstoff aus Regolith bzw. den Simulanten zu extrahieren. Das Lösungsmittel der Wahl sind ionische Flüssigkeiten. Mit ihnen lassen sich nicht nur Oxide auflösen, sondern auch Sauerstoff und sogar Metalle wie Aluminium, Titan, Magnesium und Silizium elektrochemisch abscheiden, die in wässrigen Medien nicht zugänglich sind.
Ionische Flüssigkeiten sind Salze, die bei Temperaturen zwischen 0 und 100 °C flüssig sind. Sie haben einen vernachlässigbaren Dampfdruck und verdampfen im Vakuum nicht. Daher besteht auch auf dem Mond kein Risiko für Materialverlust oder Umweltverschmutzung. Da ionische Flüssigkeiten häufig feuchtigkeitsempfindlich sind, müssen bei ihrer Verarbeitung auf der Erde besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, zum Beispiel durch den Einsatz trockener Schutzgase wie Stickstoff oder Argon. Auf dem Mond ist das nicht notwendig, da dort ein Vakuum herrscht, so dass Feuchtigkeit kein Problem darstellt. Dies vereinfacht die Prozessführung enorm.
Das Ziel des Projekts »ELMORE« ist es, Regolith durch moderne elektrochemische Verfahren in einem geschlossenen System aufzulösen und die gewünschten reinen Metalle abzuscheiden, sowie den dabei erzeugten Sauerstoff aufzufangen. In einem ersten Prozessschritt werden die vom IRAS hergestellten Regolith-Simulanten chemisch in ionischen Flüssigkeiten gelöst und anschließend die Metallionen in die entsprechenden Reinmetalle umgewandelt. Die elektrochemische Abscheidung der Metalle erfolgt dabei an der Kathode. Gleichzeitig wird Sauerstoff an der Anode erzeugt.
Für einen »Proof-of-Concept« wurde Eisenoxid als Bestandteil von Regolith chemisch in ionischen Flüssigkeiten gelöst und anschließend bei 100 °C elektrochemisch auf einem Kupfersubstrat abgeschieden (vgl. Abbildung unten links). Die Abbildung unten rechts zeigt die REM-Aufnahme (Rasterelektronenmikroskopie) der Eisenablagerung auf dem Kupfersubstrat. Die Abbildung 3 zeigt das EDX-Profil (Energiedispersive Röntgenspektroskopie) der auf Kupfer abgeschiedenen Eisenschicht. Diese enthielt bis auf Sauerstoff und Eisenoxid, das sich aufgrund der schnellen Oxidation an Luft bildet, keinerlei weitere Verunreinigungen.
Die vorliegenden Ergebnisse repräsentieren lediglich die einfache Metalloxidauflösung und ihre elektrochemische Gewinnung. In einem nächsten Schritt soll der »Proof-of-Concept« auf Regolith-Simulanten des Mondes übertragen werden. Am Fraunhofer IST wird untersucht, wie sich Metalloxide bei unterschiedlichen Temperaturen in verschiedenen ionischen Flüssigkeiten lösen. Im Anschluss soll Regolith in ionischen Flüssigkeiten aufgelöst werden. In weiteren Versuchen ist geplant, Metalle wie Aluminium und Eisen potentiostatisch oder galvanostatisch an der Kathode abzuscheiden, während Sauerstoff an der Anode freigesetzt wird. Der Vorteil von diesem Verfahren ist der Transfer zu weniger umweltbelastenden Prozessen. Die terrestrische Produktion von Eisen oder Aluminium ist im Vergleich ein stark CO2-emittierender Prozess. So liegt der Energiebedarf für den lunaren Prozess der Aluminiumgewinnung bei ca. 7 kWh/kg Aluminium, während terrestrische Verfahren durch den vorgeschalteten Schmelzprozess 15 kWh/kg Aluminium benötigen.
Dieser Beitrag ist Teil des Jahresberichts 2020.