Ein Blick hinter die Kulissen – Nachhaltigkeitsmanagement und Life Cycle Engineering am Fraunhofer IST

Interview /

Net-Zero-Konzept und Konzept zur CO2-Neutralität. Ziel: Net-Zero-Treibhausgasemissionen. Klimaneutrale Langzeitstrategie. Von Hand aufgestellte Holzwürfel mit Symbol für Recycling, Windenergie, Klimaschutz, für die Verringerung der Kohlenstoffemissionen.
© Parradee, adobe.stock.com

Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Energie- und Ressourceneffizienz – Schlagworte, die derzeit in aller Munde sind. Unternehmen stehen vor der großen Herausforderung, den wachsenden Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsstrategie gerecht zu werden und damit einen Beitrag für eine klimafreundliche und ressourcenschonende Zukunft zu leisten. Auch am Fraunhofer IST spielt das Thema Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle, die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele ist Teil vieler Projekte am Institut. Vor diesem Hintergrund baut das Fraunhofer IST den neuen Bereich »Nachhaltigkeitsmanagement und Life Cycle Engineering« auf. Abteilungsleiter Prof. Dr. Stephan Krinke stellt im Interview die Ziele, Aufgaben und Anforderungen vor. 

Was sind die Schwerpunkte der Abteilung? 

Im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements beraten wir Unternehmen, ihre Strategie, Produkte und Prozesse auf die für das Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals der UN) auszurichten und diese in die Geschäftsprozesse und -entscheidungen zu integrieren. Hierbei werden die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Chancen und Risiken einer Organisation identifiziert und Maßnahmen zu deren Steuerung entwickelt.

Im Bereich des Life Cycle Engineerings (LCE) entwickeln wir Methoden, mit denen Nachhaltigkeit messbar wird, und damit gemanagt werden kann. LCE ist ein Ansatz zur Gestaltung von Produkten und Prozessen unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus. Es bietet Unternehmen ein Werkzeug, um ihre Produkte zu verbessern, indem Umweltauswirkungen minimiert, Ressourceneffizienz maximiert und nachhaltige Lösungen entwickelt werden.

Wie kann man Nachhaltigkeit messen?

Durch die Analyse von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen mittels Indikatoren und Bewertungssystemen (z.B. LCA, LCC, S-LCA) kann der Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit quantifiziert und bewertet werden. Die bekanntesten sind die Ökobilanz oder LCA (Life Cycle Assessment) sowie der ökologische Fußabdruck (Product Carbon Footprint). Je nach Zielsetzung und Fokus sind die zu wählenden Methoden unterschiedlich. Andere Ansätze konzentrieren sich z.B. auf die Effizienz der Ressourcennutzung, die biologische Vielfalt und viele andere.

Symbolbild Nachhaltigkeit
© Pixabay, Gerd Altmann
Nachhaltigkeit

LCE, LCA, LCC – die Abkürzungen sind vielfältig – was genau verbirgt sich dahinter?

Die Lebenszykluskostenrechnung (LCC) bewertet die gesamten Kosten eines Produktes entlang des gesamten Lebenszyklus. Life Cycle Assessment (LCA) bewertet die Umweltauswirkungen eines Produktes oder Dienstleistung. Life Cycle Engineering (LCE) bedeutet, ausgehend von einem Life Cycle Assessment technische Maßnahmen zu identifizieren, um eine nachhaltige Optimierung eines Produktes oder Prozesses zu ermöglichen.

Welchen Beitrag leistet das Fraunhofer IST im Bereich Life Cycle Engineering für seine Kunden?

Unsere LCE-Tools unterstützen Geschäftsprozesse von der Frühphase (Produktionsplanung, Produktentwicklung und Beschaffung) bis zum fertigen Produkt und zeigen entlang des Prozesses Optimierungspotenziale auf. Wir entwickeln Instrumente zur Quantifizierung sowohl des Product Carbon Footprint (PCF) als auch des Corporate Carbon Footprint (CCF) und bieten maßgeschneiderte Lernmodule in Weiterbildungsprogrammen zu verschiedenen Themen im Bereich Nachhaltigkeit und LCE an.

Was waren die Highlights im Berichtsjahr? 

Die Abteilung ist an groß angelegten europäischen Forschungsprojekten und verschiedenen Industrieprojekten beteiligt, die alle Facetten des Life Cycle Engineerings und der Nachhaltigkeitsthemen abdecken. Zu unseren Projekten gehört z.B. »TranSensus LCA«, welches die Zielsetzung hat, einen harmonisierten und angewandten Ökobilanzierungsansatz für emissionsfreie Fahrzeuge (ZEV) zu definieren und zu harmonisieren. Darüber hinaus arbeiten wir im Rahmen des »HiQ-LCA-Projekts« an der Bereitstellung qualitativ hochwertiger LCA-Daten für die Lithiumbatterieproduktion. Um wesentliche Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu gewährleisten, berät die Abteilung auch Industriepartner, beispielsweise die Friedhelm-Loh-Gruppe, die wir bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie begleiten, Volkswagen und viele andere Unternehmen.

Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus? 

Wir werden Projekte mit Fokus auf nachhaltige Produkte und Prozesse in der Industrie ausbauen sowie tiefgreifende Kooperationen und Partnerschaften festigen. Derzeit liegt der Schwerpunkt auf dem Mobilitätssektor. Zukünftig werden wir unser Know-how auch auf den Chemiesektor sowie im Bereich der Metall- und Rohstoffgewinnung ausweiten. Ein Schwerpunkt bildet dabei die Circular Economy, mit der geschlossene Stoffkreisläufe und eine resiliente Wertschöpfungskette erreicht werden. Die Arbeiten werden nicht nur das Wachstum ankurbeln, sondern auch Innovationen fördern, um branchenspezifische Herausforderungen anzugehen. Ziel ist es, die Abteilung als Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement zu etablieren, indem wir konsequent Nachhaltigkeitspraktiken und -standards in Unternehmen implementieren und neuartige Life Cycle Engineering-Ansätze umsetzen.

Letzte Änderung: