Ein Blick hinter die Kulissen des Projekts »Sunrise III«

Interview /

Die Sunrise III-Mission ist ein internationales Forschungsprojekt mit dem Ziel, die physikalischen Prozesse in der Sonnenatmosphäre zu untersuchen. Am Fraunhofer IST wurden spezielle Filter beschichtet, die wesentliche Komponenten der wissenschaftlichen Instrumente an Bord des ballongetragenen Observatoriums sind. Diese hochpräzisen Filter ermöglichen es, Sonnenbeobachtungen mit bisher unerreichter Genauigkeit durchzuführen und tragen somit zur Erforschung der Sonnenaktivität und deren Einfluss auf das Weltraumwetter bei. Wir sprechen mit unserem Kollegen Stefan Bruns, der an den Arbeiten am Fraunhofer IST beteiligt war. 

SunriseIII kurz vor dem Start.
© MPS
SunriseIII kurz vor dem Start.

Lieber Stefan, worum geht es bei der Sunrise III-Mission? Wer ist daran beteiligt?

Bei Sunrise III geht es um die Erforschung der Sonnenatmosphäre hinsichtlich der Prozesse im Magnetfeld sowie der konvektiven Plasmaströmungen. Das Projekt wurde federführend vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen durchgeführt. Beteiligt waren darüber hinaus Gruppen aus den USA, Spanien und Japan (https://www.mps.mpg.de/solar-physics/sunrise-team). Durch die Erdatmosphäre wird der ultraviolette Spektralbereich des Sonnenlichts normalerweise sehr stark gedämpft. Deshalb wurden die optischen Instrumente bei dieser Mission an einem Heliumballon aufgehängt, welcher bis in die Stratosphäre aufstieg und so über mehrere Tage von Kiruna in Schweden bis in den Norden Kanadas geflogen ist. 

Welchen Beitrag zu der Mission hat das Fraunhofer IST geleistet?

Wir hatten vom MPS einen Auftrag für die Beschichtung von vier verschiedenen optischen Filtern. Sie sollten jeweils nur ein schmales Band von wissenschaftlich interessanten Wellenlängen durchlassen. Ziel war es, so verschiedene Elemente wie beispielsweise Titan, Chrom, Eisen oder Magnesium und Calcium zu detektieren, die in unterschiedlichen Höhen der Sonnenatmosphäre auftreten. Damit die Messung funktioniert und nicht andere Informationen die Ergebnisse überlagen, müssen die Filter alle anderen Wellenlängen des Lichts vollständig blockieren bzw. reflektieren.

Was waren die Herausforderungen bei der Entwicklung und wie habt ihr sie bewältigt?

Da unsere Filter auf Interferenz, d.h. der Überlagerung von Lichtwellen, beruhen, brauchen wir immer zwei Materialien, ein hochbrechendes und ein niedrigbrechendes. Wir mussten für die Filter neue Beschichtungsprozesse mit dem hochbrechenden Material Zirkoniumdioxid entwickeln, wobei bereits beim Ursprungsmaterial eine besonders hohe Reinheit erforderlich ist, denn Verunreinigungen führen zu unerwünschter Absorption. Gleichzeitig mussten die Schichten besonders glatt sein, um weitere Lichtverluste durch Streulicht, das besonders stark im ultravioletten Bereich auftritt, zu verhindern. Auf diese Weise konnten wir die Lichtverluste durch die aus bis zu 250 Schichten mit einer Gesamtdicke von 25 µm bestehenden Filter reduzieren.

Welche Bedeutung hat das Projekt für das Fraunhofer IST?

Durch das Projekt konnten wir am Fraunhofer IST wertvolle Erfahrungen gewinnen und unser Angebotsspektrum im Bereich der Präzisionsoptik erweitern. Inzwischen verfügen wir über die notwendigen Materialien in Form von Rohrtargets sowie Prozesse für Beschichtung mit Zirkoniumdioxid. Dieses Material ist deutlich kostengünstiger als das häufig für ähnliche Anwendungen eingesetzte Hafniumdioxid. Wir konnten darüber hinaus in diesem Projekt den Spektralbereich für optische Beschichtungen auf der EOSS-Anlage auf den ultravioletten Bereich ausdehnen. Gleichzeitig wurde die Schichtdickenkontrolle mittels Transmissionsmessungen während der Abscheidung für eine hohe Schichtzahl vorangetrieben.

Gibt es bereits erste Ergebnisse bzw. wann werden diese vorliegen?

Es gibt erste Bilder, die bereits während des Fluges in niedriger Auflösung übermittelt wurden. Sie zeigen ein sauberes Signal mit sehr wenig Streulicht, was darauf hinweist, dass alle optischen Komponenten des Geräts hervorragend gearbeitet haben. Ohne die Filter wäre zu viel Falschlicht mit aufgezeichnet worden und die physikalischen Informationen zu Geschwindigkeiten, Stärke und Richtung des Magnetfeldes sowie Temperaturen würden einen großen Fehler aufweisen. Die eigentliche Datenauswertung läuft derzeit allerdings noch. Da über 200 TB an Rohdaten erzeugt wurden, wird die erste Sichtung des Materials bis in den Spätherbst dauern.

Auf den Ecken gelagertes, beschichtetes Filtersubstrat in 3D-gedruckter Box.
© Fraunhofer IST, Tobias Zickenrott
Auf den Ecken gelagertes, beschichtetes Filtersubstrat in 3D-gedruckter Box.

Wie geht es weiter? Sind Folgeprojekte geplant? Finden die Filter noch andere Anwendungen?

Die Filter für Sunrise III haben wir schon vor ein paar Jahren beschichtet, bevor sie nun nach umfangreichen Tests zum Einsatz gekommen sind. Der Bedarf und das Anwendungspotenzial für optische Filter dieser Art, sogenannte Bandpässe, ist groß: Sie werden immer wieder in der Analytik eingesetzt, sei es auf einem Satelliten für die Erdbeobachtung oder in einem Smartphone zur Gestenkontrolle. Der Spektralbereich und die eingesetzten Materialien unterscheiden sich je nach Anwendung. Darüber hinaus steigen die Anforderungen hinsichtlich der Blockung oder dem schnellen Übergang von hoher Transmission zu starker Reflexion kontinuierlich weiter. Dem tragen wir mit unseren Entwicklungen Rechnung: Inzwischen haben wir Filter mit knapp 600 Schichten und einer Gesamtdicke von 40 µm - (beinahe so dick wie ein menschliches Haar (!) - hergestellt, um derartige Spezifikationen zu erfüllen.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Was war für dich das Spannende an dem Projekt? / Was hat dich an diesem Projekt besonders fasziniert?

Mir macht es Freude, wenn die Ergebnisse meiner und unserer Arbeiten direkt für eine konkrete Anwendung hilfreich sind. An solchen fliegenden Projekten ist meist eine Vielzahl von Partnern beteiligt, sodass die Komponenten immer eine besonders große Zahl von Anforderungen mit sich bringen. Es war spannend, die Anforderungen hinsichtlich der optischen und mechanischen Eigenschaften und der geforderten Umweltbeständigkeit gleichzeitig zu erfüllen. Und natürlich ist es etwas ganz Besonderes, wenn ich zum Verständnis unseres Ursprungs, unserer Lebensbedingungen beitragen kann. Um nichts weniger geht es schließlich bei der Erforschung der Sonne.

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